Gemeinde Kappelrodeck

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15.05.2023

"Was uns die Bauherren alter Kirchen erzählen wollen"

Einen faszinierenden Vortrag über die Symbolik an mittelalterlichen Gotteshäusern unserer Region erlebten die zahlreichen Besucher kürzlich in der Winzergenossenschaft Waldulm. Als Vorsitzende der Geschichtsfreunde Kapplertal freute sich Waltraud Decker, bereits zum dritten Mal in den vergangenen fünf Jahren den Historiker Norbert Klein aus Lahr in Kooperation mit den Geschichtsfreunden mit der Regionalgruppe Geroldseck im Historischen Verein Mittelbaden begrüßen zu können. Der Referent ging in seinem Vortrag der Frage nach, „Was uns die Bauherren alter Kirchen erzählen wollen“. Im Mittelpunkt standen dabei die Eingangsbereiche wichtiger Kathedralen in Baden und dem Elsass.
Zum Auftakt erinnerte Klein daran, dass die Stauferkaiser Friedrich I (Barbarossa) und sein Enkel Friedrich II i 12. und 13. Jahrhundert einen Bauboom entfachten, vor allem um mit Burgen und Kirchen als Prestige-Objekte ihre kaiserliche Macht darzustellen. Außerdem ging er auf Grundbegriffe der romanischen Baukunst ein, unter anderem erläuterte er das Bogenfeld über den Portalen und das Tympanon als die Schmuckfläche in der Mitte des Bogens. Am Beispiel der romanischen Kirche St. Peter und Paul in Sigolsheim zeigte er die Symbolik der vier Evangelisten - dabei versinnbildlicht ein Mensch Matthäus, ein Löwe Markus, ein Stier Lukas und ein Adler Johannes, aber auch das Lamm als Symbol für den Opfertod Jesu, auch die Funktion der Wasserspeier, die das Böse abschrecken sollten, wurden an Beispielen dargestellt. Dass diese Symbole von französischen Kirchen im Mittelalter bis zu uns verbreiteten, erklärte Klein damit, dass es 18 Bauhütten in Europa gab, die ihre Steinmetzkunst an verschiedenen Baustellen zur Geltung brachten und ihre Erfahrungen weitergaben.
Aufgabe dieser kunstvoll gestalteten Portale der gotischen Kirchen und Kathedralen mit ihren Sandsteinfiguren und Reliefs war es, den Menschen, die damals durchweg nicht lesen konnten, die christliche Ideenwelt und Aspekte der biblischen Geschichte in „Stein gehauen“ vorzustellen. "Heute, wo wir lesen können, gehen viele achtlos an diesen Darstellungen und Symbolen vorbei, ohne sie zu verstehen", bedauerte Klein. Seine Vielzahl reich bebilderter Beispiele reichte von der Kirche St. Florentin in Niederhaslach, wo im Tympanon im Spitzbogen des Portals die Legende des irischen Wandermönchs St. Florintin dargestellt ist über Martinsmünster in Colmar, wo der Namensgeber der Kirche, der heilige Martin bei seiner Mantelteilung, ebenso zu erkennen ist wie das Weltgericht bis zum Heinrichs-Münster in Basel, wo im Tympanon des Westportals der Stifter Heinrich I und darunter der Verführer mit den 5 törichten und ein Mensch mit den 5 klugen Jungfrauen zu sehen sind. Auch Beispiele für antisemitische Darstellungen wurden von Klein als Überzeugung des damaligen Zeitgeistes erläutert.
Besonders schöne schöpferischen Tympanon-Werke bildeten die Höhepunkte des brillanten Vortags: die der Münster in Straßburg und Freiburg. In 263 Jahren Bauzeit entstand das Münster in Straßburg. Klein beschrieb die Darstellungen der verschiedenen Portale und insbesondere des Hauptportals, das in den unteren 3 Registern den Leidensweg von Jesus mit dem Einzug in Jerusalem, dem letzten Abendmahl, der Kreuzigung und der Wiederauferstehung dargestellt. Auch beim Freiburger Münster galten interessante Ausführungen den verschiedenen Portalen und vor allem dem Hauptportal, das mit insgesamt 418 Figuren mit einem Tympanon in Farbe in vier Registern einen absoluten und einmaligen Höhepunkt kirchlicher Baukunst dieser Steinmetzkunst darstellt. Neben der Abbildung von Christi Geburt und dem Verrat und Selbstmord von Judas im ersten Register reicht die Darstellung über das jüngste Gericht, der Auferstehung der Gerechten und der Verdammten bis zu den 12 Aposteln beim Abendmahl und Christus als Weltenrichter.
Unter dem intensiven Beifall der begeisterten Zuhörer bedankte sich Theo Blaich beim Referenten für den sehr interessanten, lebendigen und humorvollen Vortrag, Waltraud Decker überreichte ihm ein Geschenk.

Quelle: Peter Meier